Gottes Plan - trotz unseres mangelhaften Horizonts

Am Beginn eines neuen Jahres denkt man gern darüber nach, was dieses Jahr uns vielleicht bringen mag. Da wir die Zukunft nicht kennen, sind wir immer voll Erwartung, aber auch in Ungewissheit, ob vielleicht auch Leid und Not uns treffen. Und wir wissen, dass wir dem Kreuz hier auf Erden nie entrinnen, auch wenn wir uns noch so gut vorbereiten und einrichten.
Ein Christ hat hier aber einen ganz anderen Zugang zum Kreuz als ein Ungläubiger, da er weiß, dass er letztlich nie tiefer fallen kann als zurück in die Hand seines Schöpfers, und weil er die Liebe Gottes kennt, die sich in Jesus geoffenbart hat, dem wir letztlich mit unserem Kreuz auf Seinem Kreuzweg nur in Liebe nachfolgen. Unser Kreuz, wenn wir es in Verbindung mit Seiner Liebe tragen, kann so für uns und andere zum Segen werden, indem es Anteil am Segen des Kreuzes Christi schenkt!
Wie anders erleben da das Kreuz und die Übel dieser Welt Ungläubige, die das Leid nur als etwas zu Fliehendes, als etwas Fürchterliches und Fluchbeladenes ansehen können, was es ja als Strafe für den Sündenfall der Menschen auch ist. Die Übel dieser Welt treffen jeden, Gläubige und Ungläubige, nur dass letztere die Gnade und die Liebe Gottes noch nicht kennen, die erst allem einen Sinn geben und ohne welche das Kreuz in dieser Welt unendlich viel schwerer zu ertragen, ja eigentlich ohne Sinn und deshalb unerträglich ist.
Unsere neue Situation in der Gnade drückt der heilige Petrus in seinem ersten Brief so aus: „Selig seid ihr, wenn ihr auch um der Gerechtigkeit willen leiden müsst… Haltet nur Christus, den Herrn heilig in euren Herzen … Es ist doch besser, wenn es Gottes Wille ist, um des Guten willen zu leiden als wegen des Bösen“ (1Petr.3,14f.17). „So fügt euch demütig unter die machtvolle Hand Gottes, damit Er euch zur rechten Zeit erhöht. Werft all eure Sorgen auf Ihn! Er sorgt für euch. Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könne. Widersteht ihm im Glauben! Ihr wisst doch, dass euren Brüdern in der Welt dieselben Leiden widerfahren!“ (1Petr.5,6-9).
Da Christus uns aus der Not und Ausweglosigkeit der Sünde befreit hat, hilft Er uns auch, die Folgen der Sünde, das Leid, in Seiner Liebe zu tragen. Auch wenn wir hier auf Erden vieles noch nicht richtig verstehen, den tieferen Sinn, der hinter allem liegt, nur erahnen, dann schenkt der Blick auf das Werk unserer Erlösung, das Jesus für uns vollbracht hat, dennoch Hoffnung und Frieden.
Aus der Strafe für die Sünde ist durch Jesu Tod am Kreuz für uns ein Mittel zum Heil und zur Heiligung für uns und für die Welt geworden. Wir leben nicht mehr unter der Knechtschaft der Sünde und damit auch des Leides, sondern wir sind dieser Finsternis entrissen und als neugeborene Kinder Gottes wieder ins Licht Seiner Gnade und Herrlichkeit versetzt worden!
„Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Tempel aufbauen, zu einem heiligen Priestertum, um geistige Opfer darzubringen, die durch Jesus Christus wohlgefällig sind“ (1Petr.2,5f.). Trotz des Kampfes, den wir hier auf Erden noch führen, und trotz der Leiden, die in gleicher Weise auch die anderen Menschen in der Welt treffen, verleiht die Liebe in der Nachfolge Jesu allem einen übernatürlichen Sinn, der die Jünger mit Christus, dem „lebendigen Stein, der von den Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserlesen und kostbar ist“ (1Petr.2,4), zum lebendigen Bau Seiner Kirche und damit zum Segen für die ganze Welt verbindet. Unser Mitopfern mit Christus bekommt durch Ihn einen Leben spendenden Sinn. Durch unser Mitopfern wird auch die Kirche auferbaut!
So sollen wir als Christen „die herrlichen Taten dessen verkünden, der“ uns „aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht berufen hat“ (1Petr.2,9), indem wir durch Christi „Wunden … geheilt“ (1Petr.2,24) wurden.
Freilich, auch wir als Christen können das, was Gott an Prüfungen und Leiden im Leben schickt, hier auf Erden nicht restlos begreifen, erst recht nicht das Warum, auch wenn wir grundsätzlich das Kreuz in der Liebe Christi annehmen und in Seiner Gnade auch zu tragen bereit sind. Manchmal stellt sich der Mensch die Frage, warum Gott etwas zulässt, was doch als Übel erscheint. Der Mensch ist in schwer verständlichen Situationen oft schnell geneigt, Gott Vorschriften oder gar Vorhaltungen machen zu wollen.
Doch denken wir immer an die Begrenztheit unseres Horizonts hier auf Erden. Vielleicht hilft uns hier ein Hinweis, den P. Pio einmal jemandem gegeben hat und der die Sichtweise des geistlichen Lebens allgemein aufgreift: „Merke gut auf und höre: … da sitzt eine Mutter und stickt. Ihr kleiner Junge sitzt auf einem Schemel zu ihren Füßen und sieht ihr bei der Arbeit zu: er sieht aber nur die Rückseite: ein Gewirr von Knoten und Fäden. Er fragt die Mutter: Mamma, kannst du mir sagen, was das wird? Ich kann nicht erkennen, was es sein soll. Jetzt beugt sich die Mutter zu ihrem Kinde und zeigt ihm die Oberseite des Stickrahmens. Jede Farbe hat ihren rechten Platz und die verschiedenen Fäden formen ein schönes Ganzes. Wir sehen nur die Rückseite der Handarbeit. Wir sitzen auf einem niedrigen Schemel“ (Guten Tag, Gesammelte Betrachtungen von Padre Pio aus Pietrelcina, San Giovanni Rotondo 1962, S. 92).
Auch der liebe Gott wird am Ende unseres Lebens sich zu uns hernieder neigen, um uns das Bild, das Er aus den Fäden jedes einzelnen Tages unseres Lebens gestickt hat, zu zeigen. Bitten wir um Seine Gnade, damit wir Ihm jeden Tag schöne und wertvolle Fäden hinreichen können, auch im neuen Jahr, und seien wir nicht ungehalten, wenn wir die Schönheit, die Gott aus all unseren kleinen Taten wirkt, zwar in der Liebe Christi schon erahnen und anfänglich erfahren, aber noch nicht vollständig sehen können! Die Heiligen, allen voran, die heilige Jungfrau Maria, haben ihr Leben in diesem Sinn in die Hand Gottes gelegt! Auch sie mögen für uns bitten, dass wir immer vollkommener mit der Liebe Gottes mitwirken, damit Er etwas Schönes und Wertvolles aus den zunächst fast wertlos erscheinenden kleinen Fäden machen kann, die Er selbst uns geschenkt hat, die wir aber Ihm mit eigener Bemühung zurückreichen dürfen, zu unserer Vollendung im Heiligen Geist, aber auch zum Heil unserer Mitmenschen!

Thomas Ehrenberger

 

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